Mosambik: „Terras baratas“

afrika süd - Zeitschrift zum südlichen Afrika          Heft Nr. 1   Januar/Februar 2013   

von Ute Sprenger

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Reiche Ernte: Agrarprodukte der fruchtbaren Provinzen des Nordens auf dem Markt in Chimoio. Werden Mosambiks gute Böden zukünftig für den Weltmarkt genutzt?                   Foto: U. Sprenger

Im November 2011 sah die brasilianische Regierung sich zu einem ungewöhnlichen Schritt veranlasst. Über mosambikanische Medien verkündete ein hochrangiger Vertreter des Außenministeriums bei seinem Besuch in Maputo, man verfolge keine Pläne zur Eroberung von Territorien in dem afrikanischen Land. Dies war der Versuch, die Wogen zu glätten, die in den Wochen zuvor in Mosambik im Zusammenhang mit einem neuen agrarwirtschaftlichen Großprojekt hoch geschlagen waren. Hatte doch Landwirtschaftsminister José Pacheco bei einer offiziellen Reise nach Brasilien dortigen Großgrundbesitzern nahegelegt, nach Mosambik zu kommen.

Mosambik bietet Land für brasilianischen Sojaanbau“, titelte die Tageszeitung Folha de S. Paulo am 14. August 2011. Dem Bericht war zu entnehmen, dass die Regierung im Norden des Landes brasilianischen Farmern sechs Millionen Hektar in Aussicht stelle, um dort Sojabohnen, Baumwolle und Mais zu pflanzen. Die Weiten des Nordens Mosambiks ähneln im Ökosystem der tropischen Savanne Brasiliens, dem heute intensiv bewirtschafteten Cerrado. „Brasiliens Bauern haben Erfahrungen gesammelt, die bei uns sehr willkommen sind“, erklärte Landwirtschaftsminister Pacheco den Medien gegenüber. Sekundiert wurde er dabei vom Botschafter seines Landes in Brasilien. „In Mosambik wollen wir wiederholen, was sie vor 30 Jahren im Cerrado gemacht haben“, so Pacheco. Um die Region für den intensiven Anbau zu erschließen, könnten für die Dauer von 50 Jahren Konzession zu einem Steuersatz von 2,10 Real – etwa einem Euro – pro Jahr und Hektar vergeben werden. Einzige Voraussetzung für die Farmer sei die Bereitschaft, in seinem Land zu investieren und dabei zu 90 Prozent mosambikanische Arbeiter zu beschäftigen.

Der Präsident der Vereinigung der Baumwollerzeuger von Mato Grosso, Carlos Ernesto Augustin, schwärmte daraufhin vom billigen Land in Mosambik und dem Vorteil einfach zu erlangender umweltrechtlicher Genehmigungen. „Mosambik ist ein Mato Grosso in der Mitte von Afrika, mit freiem Land, ohne viele ökologische Hindernisse und mit dem Kostenvorteil bei einer Verschiffung nach China.“ In Mato Grosso sei Landerwerb inzwischen sehr teuer geworden, ebenso wie die Lizenzen für Rodungen und die Reinigung der Flächen. Meldungen zufolge wollten schon im September des Jahres 40 Farmer die afrikanischen Anbaugebiete besuchen.

In Mosambik verursachte die Einladung des Agrarministers einige Irritationen. Aufgrund negativer Erfahrungen in jüngster Zeit mit Großprojekten oder bei der Ansiedlung südafrikanischer und simbabwischer Farmer betrachtete man sie in den Reihen von Bauernverbänden und zivilgesellschaftlichen Organisationen als einer Aufforderung zum Landgrabbing. Befürchtet wurde, das dies zu Konflikten um Landrechte und zu Umsiedlungen führen werde. Nach einigem Hin und Her auch in der Presse und überwiegend negativen Reaktionen in mosambikanischen und brasilianischen Internetforen ruderte Pacheco schließlich zurück und ließ seine Landsleute wissen, er sei durch die brasilianische Presse fehlinterpretiert worden. Auf die Frage des Onlineportals Canalmoz, was der mosambikanische Staat nun mit den Brasilianern ausgehandelt habe, gab der Minister lediglich an, es handele sich um eine „trilaterale Vereinbarung, ausgerichtet auf Empowerment und erhöhte Produktivität“. Für die Beantwortung weiterer Fragen zur Sache stand er nicht zur Verfügung.

Projekte in den Kulissen des Nacala-Korridors

Seit 2009 wird im Norden Mosambiks unter Federführung eines brasilianisch-japanischen Konsortiums ein Plan verfolgt, der, sollte er in Gänze realisiert werden, in den kommenden Jahren den landwirtschaftlichen Sektor grundsätzlich umstrukturieren wird. Davon betroffen sind die drei Provinzen Niassa, Nampula und Zambezia sowie angrenzende Regionen in Manica und Cabo Delgado. Das Vorhaben unter dem Titel „ProSavana“ ist Teil eines gigantisches Infrastrukturvorhabens im sogenannten Nacala-Entwicklungs-Korridor, einem Gebiet von etwa 14 Mio. Hektar. Die für ProSavana projektierte Fläche umfasst etwa sechs Mio. Hektar. Zum Vergleich: Bayern hat sieben Mio. Hektar Fläche. Statt der heute dort vorherrschenden kleinbäuerlichen Landwirtschaft auf kommunalen Flächen sollen künftig agrarindustrielle Großbetriebe dafür sorgen, dass dieser Sektor durch die Produktion von Nahrungsmitteln und Agrarrohstoffen für den Binnenmarkt, vor allem aber für den Export, maßgeblich zum Wirtschaftswachstum des Landes beiträgt. In beiden Großprojekten – dem Nacala-Korridor wie auch bei ProSavana – sind die führenden Agrarkonzerne Europas, der USA und Japans für Agrochemie und Landmaschinen mit im Boot. 

Ursprünglich wird als Nacala-Korridor die Transportroute von gut 1.000 Kilometern entlang der Straßentrasse und Bahnlinie zwischen dem Tiefseehafen von Nacala und dem Grenzposten zu Malawi bezeichnet. Inzwischen wurde dieser Korridor zum Synonym für das Großprojekt in den nördlichen Provinzen, in dessen Zentrum die extraktiven Industrien und das transnationale Agrobusiness stehen.

Wesentliche Komponente von ProSavana ist die Steigerung der Produktivität durch Technologie-Transfer und ausländische Investitionen. Da es bislang fürdas riesigen Gebiet nur wenige Daten über klimatische Verhältnisse, Bodeneigenschaften, Vegetation oder die Lage von Dörfern und Siedlungen gibt, setzt das brasilianische Agrarforschungsinstitut EMBRAPA, das eine tragende Rolle bei der Planung und Umsetzung spielt, auf satellitengestützte Fernerkundung. Bei EMBRAPA wird davon ausgegangen, dass die afrikanische Savanne mit dem brasilianischen Cerrado vergleichbar ist. Mosambik könne dort deshalb ebenso wie Brasilien in großem Stil Sojabohnen wie auch andere Rohstoffe für den Weltmarkt anbauen. Auf Seiten der Protagonisten des trilateralen Vorhabens ist dies einhelliger Konsens. Mit japanischem Geld und brasilianischem Know-how sollen die Afrikaner die modernste Agrartechnologie erhalten. Umweltverträglichkeitsprüfungen oder Folgeabschätzungen sind bis dato nicht bekannt.

Export des brasilianischen Agrarmodells

Die neue Agrarexportmacht Brasilien findet in Mosambiks politischer und wirtschaftlicher Elite viele Bewunderer: als Exporteur von Fleisch und Futtermitteln nach Europa, China und Afrika und auch als Pionier in der Erzeugung von Ethanol aus Zuckerohr für die heimische Mobilität und den Export.

Das brasilianische Erfolgsmodell basiert allerdings auf dem ungebremsten Wachstum der exportorientierten Agroindustrie und der gnadenlosen Erschöpfung der natürlichen Ressourcen. Landnutzung und Landbesitz liegen in den Händen von Wenigen. Ein unter Präsident Lula da Silva eingeführtes Sozialgeld lindert die Massenarmut in der Bevölkerung.

Unterdessen hat die Gentechnik den Sojaanbau Brasiliens zusätzlich befeuert. Transgene Sojasorten, resistent gegen das Totalherbizid Glyphosat (u.a. der Marke Roundup), haben konventionelle Züchtungen weitgehend abgelöst. Treibende Kräfte für den Umstieg auf transgenen Anbau sind einerseits Großgrundbesitzer einschließlich der Agrargenossenschaften und andererseits die Unternehmen aus der Agrochemie. Für Kleinbauern sind die Betriebskosten für diese Produktionsweise zu hoch. Sie steigen aus dem Sojaanbau aus.

Für dieses brasilianische Agrarmodell nun interessiert sich die Regierung von Mosambik, eines der ärmsten Länder der Welt. 80 Prozent der Bevölkerung leben vom kleinbäuerlichen Ackerbau auf kommunalen Flächen, die überwiegend von Frauen bestellt werden. Doch statt den lange vernachlässigten kleinbäuerlichen Sektor zu unterstützen, basiert die Wirtschaftsstrategie der Regierung wesentlich auf den Großprojekten im Rohstoffsektor und den Finanzflüssen internationaler Hilfsorganisationen (s.a. Die große Kehrtwende, John S. Paul, Afrika Süd 4/10). Maßgebliche Teile der führenden Frelimo-Partei favorisieren heute eine verstärkte Exportorientierung in der Landwirtschaft. Die in Mosambik bislang üblichen kommunalen Landrechte und die Tatsache, dass das Land in im Besitz des Staates ist und ohne vorherige Genehmigung nicht verkauft oder übertragen werden kann, betrachten sie als Hindernis für den Fortschritt im Agrarbereich.

Seit der weltweiten Nahrungsmittel- und Finanzkrise von 2007/08 erfährt auch Mosambik eine enorme Nachfrage ausländischer Investoren nach Agrarland. Zwischen Januar 2004 und Juni 2009 gingen gut 2,6 Mio. Hektar der über 36 Mio. Hektar landwirtschaftlich nutzbarer Fläche an ausländische Investoren. Etwa die Hälfte wird für die Erzeugung von Holz und Biokraftstoffen genutzt. Was angesichts einer prekären Ernährungssicherheit im Land durchaus zu irritieren vermag.

Die Fläche, die die Regierung in den nördlichen Provinzen nun auch brasilianischen Produzenten als billiges Land zur Produktion von Cash Crops wie Baumwolle, Soja und Mais oder Zuckerrohr anbietet, übertrifft in ihrer Größenordnung alle bisherigen Landdeals auf dem Kontinent. Wie auch in Brasiliens Landwirtschaft steht bei dem mosambikanischen Landdeal nicht die Versorgung der mangelleidenden Bevölkerung im Vordergrund, sondern die Produktion für ausländische Energie- und Rohstoffmärkte. Die Exporterzeugnisse werden perspektivisch in Futtertröge und Tanks wandern.

Forderung nach Transparenz und Umkehr

Von den Konzepten und Planungen um ProSavana, einschließlich den Verhandlungen um die Landdeals selbst, erfuhr die Öffentlichkeit bislang wenig. Wer nicht in der Lage war, auf brasilianischen oder japanischen Webseiten zu recherchieren, hat im Grunde bis zu dem von Landwirtschaftsminister Pacheco im Jahr 2011 bei seinem Brasilienbesuch erzeugten Eklat von dem Vorhaben nichts gewusst. Von den Kleinbauernfamilien in der Region, die dort wie im Rest des Landes von ihren kleinen Parzellen, den Machambas, die Ernährung des Familienhaushalts zu sichern versuchen und Überschüsse auf den lokalen Märkten verkaufen, wissen vermutlich die Wenigsten etwas.

Mosambiks Kleinbauernverband UNAC befürchtet angesichts dessen nun das Schlimmste. Dass die Hektarerträge des Landes niedriger als im regionalen Durchschnitt der SADC-Region sind, führt man dort vor allem darauf zurück, dass die Regierung in der Vergangenheit die Landwirtschaft und die Kleinbäuerinnen vernachlässigt hat. Was fehle, seien Anreize wie Kredite und technische Hilfen für die Landwirte, sagt UNAC-Vorsitzender Luís Muchanga. Die günstige Vergabe von Land an Großanleger oder Konzerne könnte stattdessen zu einer Situation wie in Brasilien führen, wo Millionen Landlose um ihre Rechte kämpfen müssen.

In der Tat hat UNAC auch schon bei der brasilianischen Landlosenbewegung MST um Rat nachgesucht. Und auch sonst ist die Organisation inzwischen gut vernetzt mit globalisierungskritischen Bewegungen. Bereits 2008 war der Verband Gastgeber der alle vier Jahre stattfindenden Konferenz von Via Campesina, dem weltweiten Zusammenschluss von Kleinbauernorganisationen. Und schon dort richtete sich Kritik gegen die Modernisierung“ der Landwirtschaft zu Lasten von Mensch und Umwelt.

Lange liefen die Vorbereitungen des Dreiecksdeals von Brasilien, Japan und Mosambik im Rahmen des ProSavana-Projekts weitgehend unbehelligt von kritischen Debatten. Das ist nun vorbei. Im November vergangenen Jahres ging Mosambiks Kleinbauernverband gemeinsam mit Via Campesina und GRAIN, einer der wichtigsten Lobbygruppen weltweit für eine nachhaltige und menschenzentrierte ländliche Entwicklung, mit einer Erklärung zu ProSavana an die Öffentlichkeit. Darin fordern die Organisationen Transparenz und Zugang zu den Planungsunterlagen. Regierungsvertreter hätten ihnen bislang lediglich eine Powerpoint-Präsentation gezeigt.

In der Stellungnahme heißt es, dass anders als von dessen Befürwortern behauptet, die betroffenen nördlichen Provinzen die am dichtesten besiedelte Region des Landes sind. „Mit seinen fruchtbaren Böden und den beständigen und großzügigen Niederschlägen arbeiten dort Millionen von Kleinbauern, um Nahrung für ihre Familien und für lokale und regionale Märkte zu produzieren.“ Deren Lebensgrundlage würde nun durch das am grünen Tisch geplante Großprojekt mit seinem Top-Down-Ansatz bedroht. Die Organisationen warnen von weiterer Landlosigkeit, vor sozialen Unruhen, Armut, Korruption und Umweltzerstörung. „Wenn es um Investitionen in den Nacala-Korridor oder in Mosambik im Allgemeinen geht, so muss dies bei der Entwicklung der bäuerlichen Landwirtschaft und der bäuerlichen Ökonomie ansetzen. Dies ist die einzige Art von Landwirtschaft, die in der Lage ist, eine würdevolle und dauerhafte Existenzsicherung zu schaffen, einschließlich der Eindämmung der Landflucht und der Herstellung qualitativ hochwertiger Nahrungsmittel in ausreichender Menge für die gesamte mosambikanische Nation.“

Mit dieser öffentlichen Erklärung der Betroffenenvertreter hat die Diskussion um ProSavana und damit auch um die Nutzung der Ressourcen sowie der Streit um die Entwicklungsstrategie des Landes an Schärfe gewonnen. Seit dem Vorjahr bereits wird in Blogs und Internetforen in Mosambik, Brasilien und selbst in Südafrika darüber diskutiert, ob ProSavana ein Indiz für „brasilianischen Neokolonialismus in Mosambik“ sei.

Die mosambikanische Regierung versicherte inzwischen, dass niemand durch das Großprojekt vertrieben werde – was selbst ausländischen Nachrichtenagenturen, bis hin zur chinesischen Agentur Xinhua, eine Meldung wert war. „In unserem Land ist kein Platz für die Rückkehr zu königlichen Unternehmen“, erklärte Agrarminister Pacheco in Anspielung auf die Kolonialzeit. „Die Kleinbauern werden ihre Gebiete behalten, denn das Ziel ist es, sie zu erweitern.“ Immerhin haben damit die Betroffenen in Mosambik und deren Fürsprecher die Gewissheit, dass zumindest dieses Großprojekt nun nicht mehr unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet.

Die Autorin ist Soziologin und freie Publizistin, u.a. Beratung, Training und Gutachten in der internationalen Zusammenarbeit und in der Technikfolgenabschätzung. 

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